Die großen Stadtkirchen sind in der Vergangenheit häufig mehr als nur Gottesdienstort gewesen. Sie waren auch sichtbares Zentrum in der Mitte der Stadt, Zeichen für Bürgersinn und Bürgerstolz. Für längere Zeiträume waren sie auch mit ihrem direkten räumlichen Umfeld, z.B. Marktplätze etc., Orte der Kommunikation und öffentlichen Lebens.

Gleichzeitig erleben wir in den großen Städten oft, dass die klassischen Wohnortgemeinden um die großen Stadtkirchen strukturell kleiner werden. Dies führt seit mehr als einem Jahrzehnt zu der Frage, welche Nutzungsformen über gottesdienstlichen und gemeindespezifischen Bereich hinaus denkbar, möglich und verantwortbar sind. Zurzeit stellt sich die Diskussion so dar, dass es keine allgemeinen Antworten unabhängig vom jeweils konkreten Ort gibt.

Da es inzwischen  in Deutschland eine klare Unterscheidung zwischen Christengemeinde auf der einen Seite und einer pluralen Bürgergemeinde auf der anderen Seite gibt, suchen viele Kirchengemeinden nach Nutzungsformen für ihre großen Stadtkirchen, die zum einen den sakralen Charakter der Kirche bewusst achten und zum anderen durch gezielte Angebote der Kommunikation und der Begegnung zwischen Christen und nichtchristlichen Bürgern eine Plattform und einen Raum bieten.

In diesem Sinne sind die Überlegungen der an dem Projekt OFFENE KIRCHE IN JENA Beteiligten zu verstehen.

Die Stadtkirche St. Michael in Jena hat eine überregionale Ausstrahlung und Bedeutung. Sie ist eine wichtige Kirche der Reformation und als Universitätskirche zugleich mit der Tradition der evangelischen theologischen Fakultät aufs engste verbunden. Im Herbst 1989 war sie für Jena einer der Kristallisationspunkte der „friedlichen Revolution“. Nach 1990 wurde sie auch zu einem Ort für Ausstellungen, Konzerte, Ringvorlesungen ….

Diese, zum Teil sporadisch entstandenen Aktivitäten, sollen mit dem Konzept der „Offenen Kirche“ inhaltlich und organisatorisch verstetigt und verstärkt werden.

Schwerpunkte einer möglichen Nutzung:

1.  Kirche als offener Raum

Es soll dafür gesorgt werden, dass Bewohner und Gäste unserer Stadt die Kirchen im Innenstadtbereich möglichst täglich zu klar definierten Öffnungszeiten besuchen können.

2.  Kirche als Gottesdienstraum

Zum Gottesdienst laden Kirchen regelmäßig Menschen durch ihr Geläut ein. Dabei wollen wir durch die Gestaltung unserer Gottesdienste, die Zentral-  als auch Festgottesdienste sein können, sowohl unsere Traditionen bewahren als auch offen sein für diejenigen, die sich in diesen nicht oder nicht mehr zu Hause fühlen. Sie wollen durch die Verkündigung des Evangeliums eine Anregung sein, gemeinsam nach Antworten auf die Fragen unseres Lebens zu suchen.

3.  Kirche als Ort der Ruhe, des Gebets und der Meditation

Im Getriebe einer lebendigen Stadt sollen Kirchen ein Ort der Ruhe sein. Sie können durch spezielle Angebote (Musik, Meditationstexte, Mittagsgebet, Ausstellungen …) zum Besinnen und/oder Gebet einladen.

4.     Kirche als Universitätskirche

Die Universität hat nach der Zerstörung der Universitätskirche im Zweiten Weltkrieg in der Stadtkirche mit akademischen Gottesdiensten, Semestergottesdiensten der Hochschulgemeinden, Gottesdiensten zu bestimmten herausgehobenen Anlässen und unterschiedlichen Andachtsformen einen festen Platz. Darüber hinaus kann sie aber auch als Ausbildungsort zukünftiger Theologinnen und Theologen dienen. Fragen im Spannungsfeld von christlichem Glauben und universitärer Wissenschaft sollten hier einen Platz haben und aktiv beworben werden.
Die Kirche sollte für universitäre Belange mit christlichem Bezug für die Universität offen sein.

5.     Kirche als Ort  ökumenischer Gemeinschaft

Die gerade in den Jahrzehnten der DDR gewachsene ökumenische Gemeinschaft zwischen den Kirchen und christlichen Gemeinschaften soll sichtbar gelebt und vertieft werden. Dies geschieht besonders durch Gottesdienste und Kirchenmusik zu besonderen Anlässen.

 6.  Kirche als kunst- und kulturhistorischer Ort

In den Kirchen sollen Führungen angeboten werden und Informationen zu Baustil und Baugeschichte sowie zu besonders sehenswerten sakralen Einrichtungsgegenständen für Besucher bereit liegen.

7.   Kirche als Ort der Begegnung und des Dialogs zwischen Christengemeinde und  

      Bürgergemeinde

Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Trägern und Einrichtungen innerhalb der Stadt Jena wollen wir zeigen, dass Kirche ein Ort des ebendigen Dialogs ist. Hier können Menschen unterschiedlichster Grundüberzeugungen miteinander ins Gespräch kommen, angeregt durch verschiedenste kulturelle und künstlerische Veranstaltungen (Ausstellungen, Vernissagen, Lesungen, Konzerte, Theater …). Daneben sollen auch politische Diskussionen, Vorträge und Foren einen Platz haben.

8.   Kirchenmusik

Ein besonderer Schwerpunkt ist in der Arbeit der Kirchenmusik mit ihren Chören, Instrumental-kreisen, Orgel, liturgischer Gesang etc. zu sehen. Sie stellt für viele, sowohl unter Christen als auch Nichtchristen, eine Schnittstelle zwischen ihrem Charakter als Teil des Verkündigungs-dienstes und qualitativ hochwertigen Aufführungen auch für Nichtchristen dar. Die Besucher dieser Konzerte kommen regelmäßig auch von außerhalb unserer christlichen Gemeinden.